Josefine Rosenbaum & Heinrich Wolkenstein
Rezension von F.Hürlimann
Rezension
"Der Sexualtherapeut" von
Heinrich Wolkenstein & Josefine Rosenbaum
Obwohl das Buch als "Schlüsselroman" bezeichnet wird hat es kaum etwas romanhaftes in sich, im Gegenteil, es basiert auf Tatsachenberichten und Schlussfolgerungen die offen und ehrlich im Raum stehen.
Ich habe das Buch echt "verschlungen", weil mich nicht nur dessen Inhalt fasziniert hat sondern vor allem die zugrundeliegende Botschaft. Aus meiner Sicht geht es darum, dass sich Frau und Mann auf einer ganz neuen Basis sexuell begegnen (lernen). In einer Zeit der sexuellen Freizügigkeit mit Pornoindustrie, Tantra-Seminaren, Slow-Sex, Swinger Clubs, Polyamorie und vieles mehr kommt dieses Buch wie ein frischer Wind daher wo's wirklich zur Sache geht.
Anstelle von irgendwelchen spirituellen Theorien geht es schlicht und einfach darum, dass Mann und Frau auf jegliche Kontrollversuche und Dramenspiele des Egos verzichten und sich bedingungslos einlassen auf die menschlichen Urkräfte die da schlummern und ihren Ausdruck suchen. Dazu soll sich der Mann der Frau bedingungslos hingeben, damit die Frau offen und frei ihre "Kundalini" explodieren und fliessen lassen kann und dies bis zu 15 Stunden und mehr! Also mal ein völliger Rollentausch, wo die Frau die Führung übernimmt und schliesslich auch verantwortlich ist für die "empathische Erektion" ihres Liebhabers. Dies scheint nur dann möglich, wenn die Frau fühlt, dass sie sich dem Mann völlig hingeben kann und der Mann ihr als Göttin und Königin dienen will.
Dies alles tönt fast zu schön um wahr zu sein. Und doch kann man die so radikal ehrlichen Beschreibungen der Bett-Erfahrungen bestens nachvollziehen und kaum wegdiskutieren.
Im Buch gibt es einige Beispiele von Frauen und Männern die sich im geschützten Rahmen der Gemeinschaft nur teilweise auf diese neue sexuelle Grunderfahrung einlassen konnten. Im Nachhinein sogar eher negativ darüber berichteten oder sich gänzlich distanzierten.
Ob diese neue Art des Einswerdens zwischen Frau und Mann wohl nur ganz wenigen vorbehalten sein wird die bereit sind auf ihr Ego und jedwelchem äusseren Imponiergehabe zu verzichten?
Von aussen gesehen werden die Autoren in ihrem Kommuneleben sogar als "Sex-Sekte" bezeichnet, wo Frauen angeblich von einem Sex-Guru (dem Autoren) ausgenutzt werden sollen.
Wenn man das Buch genauer liest, dann stellt man fest dass es vor allem die Frauen sind welche ihre sexuellen Bedürfnisse endlich ausleben möchten und auch zu ihrer Lust stehen können. Doch eben nicht um jeden Preis und auch nicht bedingungslos.
Als Mann fühle ich mich echt herausgefordert mich auf die im Buch dargestellte neue Dimension der sexuellen intergalaktischen Ekstase einzulassen. Ob mir das gelingen kann wissen die Sterne doch ein Versuch ist es sicherlich wert – ein Art "Therapie" nach bisherig eher dürftigen Erfahrungen auf diesem Gebiet.
St. Gallen, 29. Juli 2021
Felix Hürlimann – Parzival
